Wenn wir in ihre großen, sanften Augen schauen, bilden wir uns fast ein, in ihre Seele blicken zu können. Pferde kommunizieren durch ihre Augen mit ihrer Umwelt, drücken Gefühle aus und schützen sie vor Gefahren. Doch wir nehmen uns die Pferde wahr? Wie sehen Sie ihre Umwelt? Können sie Farben erkennen und wie groß ist ihr Blickfeld?
Anatomie des Pferdeauges
Der Augapfel des Pferdes, der Bulbus ist ca. 6,5 cm groß. Er liegt sicher geschützt in der knöchernen Orbitahöhle. Das Pferdeauge wird von drei Schichten geschützt. Die erste Schicht ist die bindegewebige Lederhaut (Sklera). Sie umschließt den Augapfel schützend. Den vordere Teil der Lederhaut bildet die Hornhaut (Cornea). Sie ist klar, durch sie fällt das Licht ins Pferdeauge. Die mittlere Schicht wird von der Aderhaut (Choroidea) gebildet. Sie besteht aus vielen Blutgefäßen, ist bräunlich pigmentiert und überzieht den Augenhintergrund. Sie umschließt die Pupille als Iris (Regenbogenhaut) im Bereich der Hornhaut. In Abhängigkeit von den enthaltenen Pigmenten der Iris erhält das Auge seine Farbe. Durch sie wird die Lichtmenge reguliert, die durch die Pupille in das Auge fällt. Die innere Schicht wird von der Netzhaut (Retina) gebildet. Die Netzhaut besteht aus zwei Arten von Lichtsinneszellen, den Stäbchen und den Zapfen. Sie wandeln die ins Auge fallenden Lichtreize in Nervenimpulse um und leiten sie über den Sehnerv in das Gehirn. Der Glaskörper bildet das Hauptvolumen des Pferdeauges und liegt dabei hinter der Linse, die sich an die Pupille anschließt. Der Glaskörper und das Kammerwasser wirken wie Linsen und tragen so zur Fokussierung des Lichts auf der Netzhaut bei. Zum scharfstellen der Bilder ändert sich wie beim Menschen die Form der Linse. Bei nahen Gegenständen wird die Linse kugelförmig, bei weiter entfernten Objekten flach.
Zu den äusseren Anteilen des Auges zählen:
- Oberlid
- Unterlid
- Bindehaut der Lider
- Bindehaut des Augapfels
- Nickhaut
- Tränendrüsen
- Tränenfilm
- Lederhaut
- Hornhaut
Die inneren Anteile des Auges sind:
- vordere Augenkammer
- Kammerwasser
- Uvea mit Iris, Zilarkörper, Aderhaut
- Netzhaut
- Linse
- Kammerwinkel
- Pupille
- Glaskörper
- Sehnerv
Eine Besonderheit des Pferdeauges sind die Traubenkörner (Granula Iridica). Sie befinden sich im Pferdeauge am Rande der Pupille und erscheinen als schwarze Punkte. Die Traubenkörner sind sowohl in Anzahl, Größe und Form individuell. Unter anderem sind die Traubenkörner an der Produktion von Kammerwasser beteiligt, erleichtern aber auch den Pferden das Sehen bei grellem Licht, indem sie eine Schutzfunktion ausüben.
Wie sehen Pferde?
Pferde sind als Fluchttiere darauf angewiesen, Feinde möglichst schnell zu erkennen, um sich in Sicherheit zu bringen. Ihre großen Augen, die seitlich am Kopf sitzen, bieten deswegen fast einen Rundumblick von 340 Grad. Sie nehmen unabhängig voneinander Bilder auf und legen sie im Gehirn übereinander. Mit jedem einzelnen Auge kann das Pferd nach vorne, zur Seite und nach hinten schauen. Das linke Auge ist mit der rechten Gehirnhälfte verbunden, das rechte Auge mit der linken Gehirnhälfte. Bei der Verknüpfung hakt es jedoch manchmal ein bisschen. Deshalb gehen Pferde an manchen Gegenständen von der einen Seite gelassen vorbei und scheuen auf der anderen Seite. Sie erkennen den Gegenstand nicht wieder.
Mit zwei gesunden Augen ist der Rundumblick nur minimal eingeschränkt. Direkt vor der Pferdenase, auf dem Rücken und hinterm Schweif liegt ein toter Bereich. Dreht das Pferd den Kopf, kann es im toten Bereich hinter dem Schweif wieder sehen.
Um Gegenstände scharf zu fokussieren, muss das Pferd seinen Kopf in Richtung des Objektes wenden, sodass es mit beiden Augen sehen kann.
Der Zoologe Dr. Bernhard Grzimek, der in den frühen 1950er Jahren erste Forschungen hinsichtlich des Farberkennens bei Pferden unternahm fand heraus, dass Pferde auf Gelb am besten reagieren. Mitte der 1990er Jahre erforschte der kanadische Psychologieprofessor Brian Timney das Farbsehen bei Stuten, er kam ebenfalls zu dem Schluss, dass Pferde Gelb und Blau am besten wahrnehmen können. 2001 fand der US-amerikanische Neurobiologe Joseph Caroll heraus, dass Pferde Farben ähnlich wahrnehmen wie rotgrünblinde Menschen. Sie sehen vieles mehr oder weniger blau, gelb oder grau; Rot und Grün können sie hingegen schlecht voneinander unterscheiden.*
Farbwahrnehmung Mensch
Farbwahrnehmung Pferd
Das Pferdeauge hat einen Visus von ca. 1,2, man geht davon aus, dass Pferde weitsichtig sind. Dies behindert sie in ihrer natürlichen Umgebung nicht – lediglich beim lesen eines Buches hätten sie Probleme.
Pferde können in der Dämmerung sehr viel besser sehen als Menschen, da Pferde einen sehr viel höheren Anteil von Stäbchen als Zapfen in ihrer Netzhaut besitzen.
Augensprache – Kommunikation des Pferdes mit den Augen
Panik: Eine Stimmung, die fast jedes Pferd kennt. Pferde sind Fluchttiere, daher sichert die Angst und der Fluchtinstinkt teilweise auch ihr Überleben. Angst ist eine Emotion, die man an den Augen des Pferdes ablesen kann. Wenn ein Pferd panisch ist oder Angst hat reisst es meist die Augen ganz weit auf oder rollt sogar mit den Augen. Natürlich kommen noch weitere körperliche Signale dazu, wie ein hochgerissener Kopf, ein angespannter Körper oder geblähte Nüstern.
Stress und Schmerz: Die Augen eines Pferdes können aussagen, ob es Stress oder Schmerzen hat. Wie beim Menschen können Pferde mit der Muskulatur rund um die Augen die Haut runzeln und in Falten legen. Forscher der Universität Bern wollten es genau wissen, was diese Stressdreiecken oder die Sorgenfalten denn bedeuten. Das Ergebnis der Studie **war eindeutig: In Situationen, in denen sich die Pferde wohlfühlen flachen die Falten ab. Stresssituationen aber auch Futterneid liessen die Sorgenfalten wachsen.
*Quelle: The Mind of the Horse, Michel-Antoine Leblanc
** Are Eyes a Mirror of the Soul? What Eye Wrinkles Reveal about a Horse’s Emotional State Sara Hintze,Samantha Smith, Antonia Patt, Iris Bachmann, Hanno Würbel Published: October 12, 2016 https://doi.org/10.1371/journal.pone.0164017
Fotos: Figure 8, Shutterstock
Grafik Pferdeauge: Talos, colorized by Jakov [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)]
Fotos: Envato, Christine Hartmann