Alles was Recht ist : Unfall in der Stallgasse

Unfall in der Stallgasse

Das OLG Hamm hatte mit Urteil vom 05.06.2000, 13 U 202/99, über eine tierische Auseinandersetzung auf der Stallgasse zu befinden. Die Klägerin begehrte Schadensersatz wegen der Verletzung ihres Hengstes. Der Beklagte ist Halter eines Wallachs. Beide Pferde befanden sich in der Reitanlage des Vaters der Klägerin. Als dieser den Hengst aus der Box durch das Gebäude zur Reithalle führte, kam er an dem Wallach vorbei, der in einem zwischen den Ställen und der Reithalle befindlichen Vorraum angebunden war. Der Wallach stand parallel zu dem Gang mit dem Kopf entgegen der Gehrichtung ihres Vaters, drehte sich plötzlich und trat dann mit der Hinterhand vorne links gegen die Vorderhand des Hengstes. Durch den Tritt wurden die Beuge- und die Strecksehne der linken Vorderhand an- bzw. durchschlagen. Der Hengst blutete stark und lahmte sofort. Er wurde noch am selben Abend in die Tierklinik gebracht, konnte jedoch nicht mehr gerettet werden.

 

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wurde dennoch vom Gericht verneint, denn bei der Verletzung ihres Pferdes hat die von diesem ausgehende Tiergefahr mitgewirkt: Das Ausschlagen des Wallachs wurde die Nähe des Hengstes hervorgerufen. Damit hat sich die Tiergefahr des Hengstes ausgewirkt, denn das Ausschlagen war Bestandteil der Kommunikation zwischen beiden Pferden. Die Klägerin muss sich darüber hinaus ein mitwirkendes Verschuldens ihres Vaters entgegenhalten lassen. Ihr Vater war Verrichtungsgehilfe, als er das Pferd für sie in der Reithalle bewegen wollte. Eine Mithaftung entfiele nur dann, wenn sich der Zeuge objektiv verkehrsgerecht verhalten hätte. Das war aber nicht der Fall. Der Vater hat den Hengst in zu geringem Abstand an dem angebundenen Wallach vorbeigeführt.

 

Der Abstand zwischen beiden Pferden betrug maximal 1,5 m. Auch ein solcher Abstand hätte nicht genügt, denn es ist bekannt, dass Pferde bis zu 2, 5 m ausschlagen können. Im Hinblick darauf ist besondere Sorgfalt erforderlich, wenn ein Pferd an einem anderen, welches auf einer Stallgasse angebunden ist, vorbeigeführt wird. Befindet sich kein Pfleger bei dem angebundenen Pferd, der dieses zur Seite klopfen und daneben stehen bleiben kann, ist der Führer des vorbeizuführenden Pferdes gehalten, anzuhalten, das angebundene Pferd laut anzurufen, gegebenenfalls mit erhobener Hand zur Seite zu drängen und erst dann sein Pferd weiterzuführen. Eine solche Abwehrbewegung des Führenden mit Zurufen ist Standard und hätte im Streitfall den Schadenseintritt vermutlich verhindert. Diese Sorgfalt war auch dann erforderlich, wenn der Hengst keine Hengstmanieren hatte und beide Pferde sich kannten und verstanden. Zwar kann Hengstgebaren in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, doch sind heute Hengste im Reitbetrieb und auf Turnieren häufig anzutreffen. Dass Pferde eines Stalles gegenüber einem Hengst wegen seiner typischen Hengstgebaren manchmal ungehalten sind und zu aggressivem Verhalten neigen, ist eher selten. Unabhängig davon dürfen Pferde im allgemeinen nicht zu dicht aneinander vorbeigeführt werden, wie schon das LG Bonn, VersR 1978, 1176, ausführte.

 

Der von dem Wallach des Beklagten ausgehenden unfallursächlichen Tiergefahr kommt gegenüber der Mitverursachung des Zeugen keine Bedeutung zu. Der im Umgang mit Pferden vertraute Vater hat fahrlässig gehandelt, weil er die in einem Reitstall gebotene Sorgfalt außer acht gelassen hat.

 

Ist neben demjenigen, welcher als Tierhalter zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, wie hier der Beklagte, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, wie hier der Vater, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.

 

Eine Rechtsschutzversicherung kann die nicht unerheblichen Prozessrisiken, die durch die Notwendigkeit von Gutachten ggf. verschärft werden, abfedern. Denn auch der Prozessgewinner kann auf beträchtlichen Kosten sitzen bleiben, wenn der Schuldner nicht liquide ist, zumal die außergerichtlichen Anwaltskosten des Angegriffenen in der Regel nie vom Angreifer zu erstatten sind..

 

Fragen zu diesem Beitrag beantwortet der Verfasser nur im Rahmen eines Mandates oder in sonst berufsrechtlich zulässiger Weise.

 

Verfasser:
Frank Richter

Rechtsanwalt
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