Jungpferde anreiten – Die ersten 90 Tage mit Stefanie Bubenzer

Die ersten 90 Tage – die Trainer sind maßgeblich daran beteiligt, den jungen Pferden einen guten Start in ihr Leben als Reitpferd zu geben. Diese Aufgabe ist mit hoher Verantwortung verbunden und manchmal unterscheiden sich auch die Ansprüche und das Machbare. Wir wollen den Mythos Anreiten lüften und möchten die Gedanken unserer Trainer zu den ersten 90 Tagen erfahren.

Heute haben wir Stefanie Bubenzer zu diesem Thema interviewt:


90 Tage oder mehr? Reichen 3 Monate?

Ich persönlich bin kein großer Freund der „berühmten 90 Tage“ und nehme für diese Zeitspanne auch schon lange keine Pferde mehr zum Anreiten ins Training. Es gibt Pferde, die als Jungpferde eine super Vorbereitung durch ihre erfahrenen Besitzer bekommen haben und dann körperlich und mental zufällig in diesen 90 Tagen Bestleitung erzielen können. In diesem Fall können 90 Tage reichen, um dem Pferd alle drei Grundgangarten und ein paar Basics beizubringen. Pauschal kann ich allerdings mit diesem Zeitrahmen allerdings nicht guten Gewissens dem Pferd und dem Kunden gegenüber arbeiten.

Wie startest du in die Grundausbildung mit den jungen Pferden?

Die Grundausbildung beginnt für mich vom Boden. Die Pferde müssen die Grundlagen der Bodenarbeit beherrschen. Dem Druck weichen, Anhalten aus allen Gangarten und jede Gangart aufnehmen können. Ich bringe auch jedem Pferd grundlegende Showmanship Manöver bei. Nicht, weil es das Pferd später auf dem Turnier unbedingt zeigen muss, aber die benötigten Kenntnisse gehören für mich einfach dazu. Dann muss ich das Pferd longieren lassen und an der Doppellonge fahren lassen. Außerdem gehört für mich sowohl ein Anti-Schreck Training als auch das Aussacken zur Vorbereitung.  Die Pferde lernen auch die Arbeit als Handpferd kennen, da ich mit dem System auch gerne die Pferde an den Reiter gewöhne. Beherrscht das Pferd all diese Dinge, beginne ich damit das Pferd an Sattel und Trense zu gewöhnen. Nachdem sich das Pferd an das Reitergewicht gewöhnt hat, erfolgen die ersten Schritte unter dem Reiter. Dabei ist es wichtig, dass das Pferd lernt dem direkten Zügel zu folgen und auf vorwärts- treibenden und bremsende Hilfen zu reagieren.

Der gesamte Prozess ist bei jedem Pferd etwas anders und bedarf einer Menge Erfahrung und „Horsemanship“. Nur so kann sichergestellt werden, dass jedes Pferd in seinem Tempo und für das Pferd verständlich ausgebildet wird.

Was gehört für dich zur Grundausbildung dazu?

Die bereits beschrieben Elementen der Bodenarbeit und des Gelassenheits- und Führtrainings. Reiterlich kann man grob sagen Takt und Losgelassenheit sollten im Groben gefestigt sein. Das Pferd sollte eine grobe Idee haben, wie es auf Sitz-, Schenkel und Zügelhilfen reagieren soll. Wie weit man genau die Grundausbildung definiert ist eine Frage der Philosophie. Rein nur vom „Anreiten „ zu sprechen, ist mir persönlich da zu wenig. Neben Takt und Losgelassenheit, sollte das Pferd auch die Grundzüge der Nachgiebigkeit, das Rücken aufwölben und die vermehrte Lastaufnahme auf der Hinterhand, einschließlich aller dazu nötigen Übungen wie zum Beispiel Seitengänge und Übergänge verstanden haben.

Was kann man in 3 Monaten Grundausbildung erwarten und was muss das Pferd mindestens können?

Das ist für mich genau die falsche Frage! Das Tempo bestimmt das Pferd. Ein Pferdebesitzer kann sich die Frage stellen, was das Pferd können sollte, bevor es/ sie das Pferd mit nach Hause nehmen kann und damit selber und alleine zurechtkommt. Das hängt sowohl von den Kenntnissen und Fähigkeiten des Reiters ab und vom Temperament und Charakter des Pferdes. Zu welchem Zeitpunkt dies erreicht sein wird, kann man nach meiner Erfahrung kaum zu Beginn des Trainings sagen.

Wie oft und wie lange arbeitest du junge Pferde in der Woche?

Auch hier gibt es kein festes Schema. Länger als 20 bis maximal 30 Minuten arbeite ich junge Pferde eher selten. In der Phase des Anreitens versuche ich über eine 5-6 Tage Woche aber zunächst gerne eine gewisse Routine zu erarbeiten.

Reitest du nur selbst oder ist es wichtig, dass junge Pferde auch andere Reiter kennen lernen?

Ich finde es wichtig, dass junge Pferde auch andere Reiter kennen lernen. Diese sollten aber sehr gut reiten können und auch dem Pferd bekannte Hilfen geben, damit man es zunächst nicht verunsichert und verwirrt.

Wie wichtig ist Ausreiten innerhalb der Grundausbildung für dich und wann gehst du frühestens mit den jungen Pferden ins Gelände?

Ausreiten gehört für mich definitiv dazu. Leider haben wir bei uns nicht direkt am Hof die Möglichkeit, ohne eine Straße zu überqueren, ins Gelände zu kommen. Daher sind die Pferde meist schon etwas weiter, bevor sie das erste Mal ins Gelände gehen. Waren die Gegebenheiten anders, habe ich die Pferde früher schon recht schnell als Handpferd mit Reiter mitgenommen oder auch mit einem erfahrenen Begleitpferd alleine, also nicht als Handpferd.

Wie wichtig ist es, dass der Besitzer bereits bei der Grundausbildung seine Ziele mit dem Pferd definiert?

Es macht sicherlich Sinn, dass sich der Besitzer vor dem Start des Trainings darüber im Klaren wird, was er mit dem Pferd langfristig machen möchte. Die Anatomie des Pferdes gibt meist im Groben Aufschluss darüber, was das Pferd physisch in der Lage sein wird zu Leisten. Wobei es da auch immer wieder deutliche Abweichung ins Positive oder Negative gibt. Der Trainer ist dann definitiv in der Pflicht zu beurteilen, ob das Ziel realistisch ist oder eben nicht und den Besitzer darüber aufzuklären. Andererseits benötigt jedes Pferd eine solide Grundausbildung, ganz gleich, ob es ein solider Freizeitpartner im Gelände werden soll oder am Ende erfolgreiches Reining Pferd werden soll.

Soll der Besitzer das Pferd vorher bereits arbeiten oder das Jungpferd lieber roh bringen?

Das kommt wirklich auf die Erfahrung des Besitzers an. Und auch das Wort „roh“ ist so eine Sache. Wenn das Pferd drei Jahre auf der Weide stand und nicht gearbeitet wurde, das heißt sich weder korrekt führen, anbinden oder putzen lässt, werden vermutlich drei Monate mit Bodenarbeit vergehen, bevor überhaupt an Reiten zu denken ist. Meist ist das dann auch ein großer Stressfaktor für Pferde. Sind die Pferde allerdings bereits gearbeitet worden und Dinge wurden falsch konditioniert ist das auch ein großes Problem. Mir ist es am liebsten, wenn ich Kunden bereits während der Bodenarbeit mit dem Jungpferd regelmäßig betreue und ich halte es eh für fraglich, ob sich ein gänzlich unerfahrener Reiter oder für ein Jungpferd zu wenig erfahrene Reiter ein Jungpferd anschaffen sollte. Wenn das Pferd nicht über einen längeren Zeitraum konstant im Profitraining bleibt, sind da die Erfolgsaussichten meist leider nicht sehr groß.

Kann der Besitzer sein Jungpferd nach 90 Tagen problemlos mit nach Hause nehmen und selbst reiten?

Die Frage lässt sich aus den vorangegangenen Antworten ableiten. Alles kann, nichts muss. Abhängig vom Pferd und den Fähigkeiten des Reiters, kann das sicherlich der Fall sein. Es kann aber auch gar nicht klappen und entweder ist ein längeres Training in Form von Beritt nötig oder der Besitzer benötigt regelmäßige Hilfe durch Reitunterricht.

Reitest du Pferde auch in weniger als 3 Monaten ein, wenn die Besitzer das wollen?

Die Frage habe ich schon weiter oben beantwortet und kann Sie nur mit einem klaren Nein beantworten. Das würde nicht in mein Konzept passen und somit wären weder der Kunde, noch das Pferd oder ich am Ende zufrieden.

Vielen Dank Stefanie!

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