Halterhaftung für Reitunfall beim Probereiten

(RA Frank Richter) Der vorliegende Artikel versucht möglichst präzise die Haftungssituation bei Proberitten zu erläutern. Der geneigte Leser sei aber gewarnt: die Lektüre dieses Artikels kann und will kompetenten Rechtsrat im Einzelfall nicht ersetzen, sie soll lediglich einen Überblick über die Problematik geben und so zum rechtzeitigen Gang zum Anwalt ermuntern.

Unsere Rechtsordnung kennt neben der Verschuldenshaftung in bestimmten Fällen eine Verantwortung für die Gefährdung anderer auch ohne eigenes Verschulden. Dazu zählt insbesondere das „Halten von Tieren“, insb. wenn es sich um „Luxustiere“ handelt. Verantwortlich und damit schadensersatzpflichtig ist grundsätzlich der Halter des Tieres.

Als „Luxustierhalter“ gelten zum Beispiel der Privatreiter hinsichtlich seines Sportpferdes oder der gemeinnützige Reitverein hinsichtlich seiner eigenen Pferde (BGH, Urteil vom 12.1.1982, VI ZR 188/80).

Die Haftung setzt jedoch voraus, dass der Schaden durch ein tier-typisches Verhalten des Tieres verursacht worden ist. Den geschädigten Reiter (oder auch Dritte) kann aber eine eigene Mitverantwortung am Schaden treffen. Dies führt dann zu einer Haftungsaufteilung zwischen dem Halter und dem Reiter (und den sonstigen involvierten Personen), sofern bspw. der Probereitende grobe Reitfehler macht und so den Schadeneintritt provoziert. Dies muss allerdings der Tierhalter beweisen.

Die Halterhaftung ist verschuldensunabhängig, selbst wenn der Halter nichts von dem konkreten Proberitt wusste (BGH, VI ZR 13/12, Urteil vom 30.04.2013).

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt die Gefährdungshaftung des Tierhalters grundsätzlich auch dem Reiter zugute, der ein von einem anderen geliehenes Pferd im eigenen Interesse nutzt. Eine Haftungsfreistellung des Tierhalters gegenüber dem Reiter unter dem Gesichtspunkt des „Handelns auf eigene Gefahr“ kommt nur dann in Betracht, wenn der Reiter im Einzelfall Risiken übernommen hat, die über die gewöhnlich mit einem Ritt verbundene Gefahr hinausgehen.

Bei einem Probereiten vor einem Kauf oder vor der Übernahme einer Reitbeteiligung will der Reiter das Pferd lediglich kennenlernen, aber keine besonderen Risiken dabei eingehen, insb. wenn zum Zeitpunkt des Rittes niemand davon ausgeht, dass ein Ritt auf diesem Pferd besonders risikoreich oder gefährlich sein könnte (vergl. OLG München, Urteil vom 16.06.2010 – 20 U 5105/09: einen unerfahrener Reiter trifft ein Mitverschulden). Ein Mitverschulden wegen einer eventuellen Fehleinschätzung der eigenen reiterlichen Fähigkeiten bspw. nach längerer Reitpause kommt hingegen mit OLG Schleswig, Urteil vom 29.02.2012, 7 U 115/11, nicht in Betracht.

Auch und gerade bei einem Proberitt greift die Tierhalterhaftung (LG Itzehoe, Urteil vom 27.08.2001, Az. 3 O 262/00; OLG Schleswig, 7 U 81/91, Urteil vom 23.05.1996, VersR 1997, 634). Denn Tierhüter ist nach dem Wortlaut des Gesetzes allein derjenige, der vertraglich die Aufsichtsführung über das Pferd übernommen hat. Aufsichtsführung bedeutet Übertragung der selbständigen allgemeinen Gewalt und Aufsicht über das Tier, d.h. der Tierhalter muss vollständig seine Gewalt über das Tier aufgeben. Im Falle eines Proberitts liegt schon keine vertragliche Vereinbarung der Übertragung der Aufsicht. Die bloße Überlassung des Pferdes reicht nicht aus, um die Tierhüterstellung zu begründen. Dies gilt erst recht, wenn der Tierhalter oder sein Bevollmächtigter beim Proberitt anwesend ist. In diesem Fall bleibt der Tierhalter der Aufsichtsführende, so dass er für einen beim Proberitt eingetretenen Schaden grds. vollumfänglich haften muss.

Ein – die Haftung ausschließendes – Handeln auf eigene Gefahr setzt voraus, dass sich der Geschädigte einer besonderen Tiergefahr ausgesetzt hat und er sich der besonderen Gefährdung bewusst gewesen ist. Dafür reicht der Proberitt mit einem unbekannten Pferd im unbekannten Gelände nicht aus. Auch der Proberitt mit einem Pferd, das zeitweise angespannt oder nervös ist, begründet keine besondere Tiergefahr. Ein konkludenter vertraglicher Haftungsausschluss kommt regelmäßig nicht zustande, wenn der Kaufinteressent ein Pferd im Rahmen der Kaufvertragsanbahnung probereitet. Der Kaufinteressent, der mit einem zeitweise angespannten und nervös wirkenden Pferd einen Proberitt macht und diesen fortsetzt, muss sich allerdings ein Mitverschulden von 30% anrechnen lassen, wenn er dabei zu Schaden kommt (LG Ravensburg, 5 O 26/23, Urteil vom 05.09.2023).

Leihvertragsvorschriften kommen bei der probeweisen Überlassung an einen Kaufinteressenten lediglich für einen Ausritt nicht zur Anwendung.

Eine Rechtsschutzversicherung kann die nicht unerheblichen Prozessrisiken, die durch die Notwendigkeit von Gutachten ggf. verschärft werden, abfedern. Denn auch der Prozessgewinner kann auf beträchtlichen Kosten sitzen bleiben, wenn der Schuldner nicht liquide ist, zumal außergerichtliche Anwaltskosten des Angegriffenen meist nicht vom Angreifer zu erstatten sind.

Grundsätzlich sollte man seine Ansprüche nicht ohne rechtlichen Beistand verfolgen, gleiches gilt naturgemäß für die Verteidigung gegen vermeintliche Ansprüche. Hilfe bei der Anwaltssuche bietet der Deutsche Anwaltverein unter www.anwaltauskunft.de.

RA Frank Richter, www.richterrecht.com

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