Die Ankaufsuntersuchung beim Pferd

Die Ankaufsuntersuchung beim Pferd

Der Kauf eines Pferdes ist eine bedeutsame Entscheidung und meist eine erhebliche finanzielle Investition. Um spätere Enttäuschungen zu vermeiden und sicherzustellen, dass ein Pferd gesundheitlich für den geplanten Verwendungszweck geeignet ist, sollte vor dem Kauf eine fachgerechte Ankaufsuntersuchung durchgeführt werden. Diese tierärztliche Untersuchung gibt Aufschluss über den aktuellen Gesundheitszustand des Pferdes und kann mögliche versteckte Mängel aufdecken.

Was ist eine Ankaufsuntersuchung?

Die Ankaufsuntersuchung (auch „Kaufuntersuchung“ genannt) ist eine medizinische Begutachtung eines Pferdes durch einen Tierarzt, die im Auftrag eines potentiellen Käufers durchgeführt wird. Sie dient als objektive Bestandsaufnahme des aktuellen Gesundheitszustandes und liefert eine Einschätzung über die körperliche Eignung des Pferdes für den vorgesehenen Verwendungszweck.

Wichtig: Die Ankaufsuntersuchung ist eine Momentaufnahme und keine Garantie für die künftige Gesundheit des Pferdes.

Wann sollte eine Ankaufsuntersuchung durchgeführt werden?

Eine Ankaufsuntersuchung sollte:

  • Nach der Besichtigung des Pferdes und dem Proberitt
  • Vor dem endgültigen Kaufabschluss
  • In einer ruhigen Umgebung (möglichst im gewohnten Umfeld des Pferdes)
  • Bei Tageslicht, um optimale Untersuchungsbedingungen zu gewährleisten

Ablauf der Ankaufsuntersuchung

Die Ankaufsuntersuchung wird üblicherweise in mehrere Protokollstufen unterteilt. Käufer können je nach Budget und Verwendungszweck des Pferdes entscheiden, welche Untersuchungsstufen durchgeführt werden sollen.

1. Klinische Untersuchung (Protokoll I)

Die klinische Untersuchung bildet die Grundlage jeder Ankaufsuntersuchung und umfasst:

Anamnese und Identifikation

  • Überprüfung der Identität (Equidenpass, Mikrochip)
  • Erhebung der Vorgeschichte (soweit bekannt)
  • Dokumentation von Alter, Geschlecht, Rasse, Farbe und Abzeichen

Allgemeine Untersuchung

  • Messung der Vitalparameter (Puls, Atmung, Temperatur)
  • Kontrolle der Schleimhäute und Lymphknoten
  • Beurteilung des Allgemeinzustands und der Kondition
  • Untersuchung von Haut und Haarkleid
  • Kontrolle des Atmungsapparates und Auskultation (Abhören) von Herz und Lunge

Spezielle Untersuchung des Bewegungsapparates

  • Beurteilung des Körperbaus (Exterieur)
  • Inspektion und Palpation (Abtasten) aller Gliedmaßen
  • Untersuchung der Hufe (Form, Qualität, Beschlag)
  • evtl. Beugeprobentests an allen Gliedmaßen
  • Bewegungsbeurteilung im Schritt und Trab auf gerader Linie und auf weichem sowie hartem Boden
  • Bewegungsbeurteilung im Kreis (Longieren)

Untersuchung der Augen

  • Äußere Inspektion
  • Ophthalmoskopische Untersuchung (ggf. in einem abgedunkelten Raum)

Untersuchung des Gebisses

  • Kontrolle von Zahnstellung, Zahnalter, Abnutzung
  • Überprüfung auf Gebissanomalien

2. Erweiterte Untersuchung (Protokoll II)

Das Protokoll II erweitert die klinische Untersuchung um:

Röntgenaufnahmen

Die Standard-Röntgenuntersuchung umfasst üblicherweise mindestens 12-18 Aufnahmen:

  • Abbildungen der Strahlbeine (‘Hufrollenaufnahmen’) beider Vordergliedmaßen in der Röntgenaufnahmetechnik nach ‘Oxspring’,
  • die Aufnahmen aller vier Zehen im seitlichen (90°- oder latero-medialen) Strahlengang und
  • Aufnahmen beider Sprunggelenke in zwei Schrägprojektionen (45° bis 70° und 90° bis 135°) oder – so die Empfehlung im Röntgenleitfaden – in drei Aufnahmerichtungen (dann zusätzlich jeweils eine 0°-Aufnahme). Damit wären zwölf Aufnahmen nach dem Standard angefertigt.
  • Halswirbelsäule (bei bestimmten Verwendungszwecken)
  • Rücken (bei bestimmten Verwendungszwecken)
    Roentgen-Leitfaden Tierärztekammer

Endoskopie der oberen Atemwege

  • Beurteilung von Kehlkopf und Luftsack
  • Überprüfung auf Kehlkopflähmung (insbesondere bei Rennpferden und Hochleistungssportpferden wichtig)

3. Weiterführende Untersuchungen (Protokoll III und weitere)

Je nach geplantem Einsatz des Pferdes oder bei Verdachtsmomenten können zusätzliche Untersuchungen sinnvoll sein:

Laboruntersuchungen

  • Blutbild
  • Organwerte
  • Dopingtest

Weiterführende bildgebende Verfahren

  • Ultraschall (besonders bei Sehnenverletzungen)
  • Szintigraphie
  • Magnetresonanztomographie (MRT)
  • Computertomographie (CT)

Belastungstest

  • Kontrolle der Herzfrequenz und Atemfunktion unter Belastung
  • Beurteilung des Bewegungsbildes nach Belastung

Was wird bei einer Ankaufsuntersuchung bewertet?

Der Tierarzt beurteilt bei einer Ankaufsuntersuchung folgende Aspekte:

  1. Gesundheitszustand: Ist das Pferd zum Zeitpunkt der Untersuchung gesund?
  2. Vorangegangene Erkrankungen: Gibt es Anzeichen für frühere Erkrankungen?
  3. Verwendungstauglichkeit: Ist das Pferd für den vorgesehenen Zweck geeignet?
  4. Risikofaktoren: Bestehen anatomische oder andere Faktoren, die ein erhöhtes Risiko für künftige Erkrankungen darstellen?

Typische Befunde und ihre Bedeutung

Röntgenbefunde

Bewertungssystem beim Röntgen: Von Schulnoten zu Befundbeschreibung

Früher orientierte sich die Beurteilung von Röntgenaufnahmen im sogenannten Röntgenleitfaden an einem klassifizierenden Notensystem:

  • Klasse I entsprach dem Idealzustand – ohne jegliche Befunde.

  • Klasse II zeigte minimale Abweichungen vom Ideal.

  • Klasse III beinhaltete Veränderungen mit einem geschätzten Risiko von 5 % bis 20 %, künftig zu einem klinischen Problem zu führen.

  • Klasse IV wies deutliche Abweichungen vom Normzustand auf.

Dieses System stand jedoch zunehmend in der Kritik: Es beurteilte kleinere Befunde teils ungenau und erlaubte nur eine begrenzte Aussage über den tatsächlichen Gesundheitszustand des Pferdes.

Änderung seit 2018: Abschied vom Notensystem

Seit 2018 wird bei der großen Ankaufuntersuchung („TÜV“) keine Einteilung in Klassen mehr vorgenommen – insbesondere nicht, wenn keine klinisch relevanten Veränderungen erkennbar sind. Statt einer starren Benotung erfolgt nun eine individuelle, schriftliche Beschreibung der Befunde durch den Tierarzt.

Bei signifikanten Auffälligkeiten muss der Tierarzt diese klar benennen – basierend auf dem aktuellen Röntgenleitfaden. Dadurch erhält die klinische Untersuchung einen höheren Stellenwert als die Röntgenbilder allein. Ist das Pferd gesund und zeigen sich keine pathologischen Veränderungen, lautet die Bewertung schlicht: „ohne Befund“.

Diese Umstellung soll verhindern, dass Pferde allein aufgrund wenig aussagekräftiger Röntgenbefunde abgewertet werden und fördert eine ganzheitlichere tierärztliche Einschätzung.

Typische röntgenologische Befunde sind:

  • Chips (kleine Knochenfragmente in Gelenken)
  • Spat (degenerative Veränderung im Sprunggelenk)
  • Schale (Arthrosen im Fesselgelenk)
  • Strahlbein-Veränderungen
  • Hufrollenentzündung
  • Kissing Spines (eng stehende Dornfortsätze der Wirbelsäule)

Klinische Befunde

  • Lahmheiten
  • Atemgeräusche
  • Herzbefunde (Herzgeräusche, Arrhythmien)
  • Hautveränderungen
  • Augenerkrankungen

Kostenübersicht Ankaufuntersuchung (AKU) Pferd (Stand 2025)

Kostenübersicht für eine Ankaufuntersuchung (AKU) beim Pferd unter Berücksichtigung der neuen Gebührenordnung für Tierärzte (GOT), gültig seit 22. November 2022.


(Alle Beträge verstehen sich als Richtwerte inkl. MwSt. – tatsächliche Preise können je nach Tierarzt und Region abweichen)

Leistung Beschreibung Preisbereich laut GOT (1-facher Satz) Üblicher Preis (2-facher Satz)
Allgemeine Untersuchung (kleine AKU) Exterieur, Herz, Lunge, Bewegung, Palpation ca. 120–150 € ca. 240–300 €
Große AKU (inkl. Röntgen) inkl. klinischer Untersuchung, div. Röntgenaufnahmen, Beugeproben ca. 250–350 € ca. 500–700 €
Röntgenaufnahmen (je Aufnahme) z. B. Huf, Fessel, Sprunggelenk etc. ca. 40–60 € pro Bild ca. 80–120 € pro Bild
Standard-Röntgenpaket (gemäß Röntgenleitfaden) z. B. 18 Aufnahmen ca. 720–1.080 € ca. 1.440–2.160 €
Blutuntersuchung kleines Blutbild oder Dopingkontrolle ca. 30–80 € ca. 60–160 €
Anfahrt abhängig von Entfernung und Zeitaufwand ca. 20–80 € bis 160 €
Sonstige Zusatzleistungen z. B. Ultraschall, Lahmheitsdiagnostik, Laboranalysen individuell individuell

📌 Hinweise zur GOT & Preisgestaltung

  • Die neue GOT erlaubt eine Abrechnung vom 1- bis 3-fachen Satz, in Notdiensten sogar bis zum 4-fachen Satz.
  • Viele Tierärzte rechnen im Alltag mit dem 2-fachen Satz – besonders bei komplexeren Leistungen wie der großen AKU.
  • Eine große AKU inkl. aller Röntgenbilder und Blutproben kann zwischen 1.000 € und 2.500 € kosten – je nach Umfang und Region.

Tipp für Käufer & Verkäufer

  • Eine schriftliche Vereinbarung über den Untersuchungsumfang und die Kostenübernahme (wer zahlt was?) ist vor der AKU empfehlenswert.

Die Kosten erscheinen zunächst hoch, stellen jedoch eine wichtige Investition dar, um spätere, oft deutlich höhere Folgekosten durch unerkannte Gesundheitsprobleme zu vermeiden.

Rechtliche Aspekte

Vertragliche Vereinbarungen

  • Der Käufer bestimmt den Untersuchungsumfang und trägt die Kosten
  • Der Tierarzt erfüllt eine Untersuchungs- und Dokumentationspflicht, aber keine Aufklärungspflicht
  • Der Tierarzt haftet nur für die korrekte Durchführung und Dokumentation der Untersuchung, nicht für die zukünftige Gesundheit des Pferdes

Ankaufsuntersuchungsvertrag

Vor Beginn der Untersuchung sollte ein Vertrag zwischen Käufer und Tierarzt geschlossen werden, der folgende Punkte beinhaltet:

  • Umfang der Untersuchung
  • Verwendungszweck des Pferdes
  • Haftungsvereinbarungen
  • Kosten

Kaufvertragsgestaltung

Die Ergebnisse der Ankaufsuntersuchung sollten in den Kaufvertrag einfließen:

  • Als Beschaffenheitsvereinbarung
  • Als Haftungsausschluss für bekannte Mängel
  • Eventuell mit Gewährleistungsausschluss für bestimmte Befunde

Praktische Tipps für Käufer

  1. Tierarzt sorgfältig auswählen:
    • Erfahrung mit Pferden und Ankaufsuntersuchungen
    • Unabhängigkeit vom Verkäufer
    • Spezialisierung auf Pferde (Fachtierarzt für Pferde)
  2. Untersuchungsumfang festlegen:
    • Abhängig vom Verwendungszweck (Freizeitpferd, Sportpferd, Zuchtpferd)
    • Abhängig vom Kaufpreis
    • Abhängig vom Alter des Pferdes
  3. Persönliche Anwesenheit:
    • Bei der Untersuchung anwesend sein
    • Fragen stellen und klären
    • Verständnis der Befunde sicherstellen
  4. Umgang mit Befunden:
    • Nicht jeder Befund ist ein K.O.-Kriterium
    • Risiken gegen Verwendungszweck abwägen
    • Ggf. Preisverhandlungen auf Basis der Ergebnisse
  5. Dokumentation:
    • Vollständigen schriftlichen Bericht einfordern
    • Alle Röntgenbilder und sonstigen Befunde erhalten
    • Dokumentation für eventuelle spätere Vergleiche aufbewahren

Fazit

Die Ankaufsuntersuchung ist ein unverzichtbares Instrument beim Pferdekauf. Sie bietet keine absolute Sicherheit, reduziert aber erheblich das Risiko, ein Pferd mit gesundheitlichen Problemen zu erwerben. Die Kosten für eine gründliche Untersuchung sind gut investiert und können vor späteren, oft deutlich höheren Ausgaben für Behandlungen schützen.

Ein wichtiger Grundsatz lautet: Je höher der Kaufpreis und je anspruchsvoller der geplante Einsatzbereich des Pferdes, desto umfangreicher sollte die Ankaufsuntersuchung sein.

Glossar wichtiger Fachbegriffe

Auskultation: Abhören von Körpergeräuschen mit dem Stethoskop

Beugeprobe: Test, bei dem ein Gliedmaßenabschnitt für kurze Zeit stark gebeugt und das Pferd anschließend im Trab vorgeführt wird; dient der Erkennung von Gelenkproblemen

Chip/Corpus liberum: Kleines Knochenfragment in einem Gelenk

Endoskopie: Spiegelung von Körperhöhlen mittels eines optischen Instruments (Endoskop)

Kehlkopfpfeifen/Hemiplegia laryngis: Lähmung eines Kehlkopfmuskels, die zu Atemgeräuschen und Leistungsminderung führt

Kissing Spines: Eng stehende oder sich berührende Dornfortsätze der Wirbelsäule

Palpation: Untersuchung durch Abtasten

Spat: Arthrose im Sprunggelenk

Schale: Arthrose im Fesselgelenk

Strahlbeinerkrankung/Podotrochlose: Degenerative Erkrankung des Strahlbeins und umliegender Strukturen

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