„Ursprünglich kommt die Disziplin aus der Ranch Arbeit der Cowboys“ so, oder ähnlich beginnt jede Beschreibung der Westernreitdisziplinen.
Doch was ist davon heute noch übrig geblieben? Technisch perfekt gerittene Pattern, die von Pferd und Reiter die Präzision einer lasergesteuerten CNC-Fräse abverlangen um die Hufe millimetergenau zwischen die Stangen zu setzen und Reiter, die in fest einstudierten Gesten ihre Pferde durch das Gewirr leiten – die Showdisziplinen haben in den letzten 20 Jahren eine Perfektion entwickelt, die dem Westernreitsport einen festen Platz unter den, auch international anerkannten Reitsport Disziplinen, gesichert hat. Das war gewollt, und auch nötig, um den Sport voran zu bringen.
Was auf der Strecke geblieben ist, ist das intuitive, natürliche in den Bewegungen der Pferde und die Fähigkeit als Arbeitspartner selbstständig zu agieren, Lösungen zu finden und Situationen zu meistern, ganz so, wie es Jahrhundertelang sein Job auf der Ranch war.
Ansprüche an das Ranch Pferd
Zucht ist immer auch Evolution und so verändern sich im Laufe der Zeit auch die äußeren Merkmale einer Population im Hinblick auf ihren Verwendungszweck.
Gehen wir zurück zu den Wurzeln der Westernreiter, zu der Arbeit auf der Ranch, so waren die Anforderungen an die Pferde damals klar definiert. Um den Cowboy das Arbeitsleben zu erleichtern, mussten die Pferde robust und nicht allzu groß sein, ihre Knochen stark und stabil sein. Sie mussten für die Arbeit in unwegsamen Gelände trittsicher sein und über einen starken „Heckantrieb“, zum Erklimmen von Anhöhen und um die nötige Sprintstärke beim Verfolgen der Rinder aufzubauen, verfügen.
Dazu mussten sie leicht lenkbar und ausbalanciert sein und geduldig und ruhig warten, wenn der Cowboy Zäune reparierte, und durften nicht in ihrer natürlichen Arbeitsumgebung, z.B. auf Tiere oder Wetter reagieren. Gefunden haben sie all dieses in den typischen Westernpferderassen und deren Mixe.
Die kompakten Pferde waren äußerst bequem auf langen Ritten und vereinbarten alle, von den Cowboys gewünschten Eigenschaften, in ihrem Ex- und Interieur. Wenden wir uns heute den Disziplinen Ranch Riding und Ranch Trail zu, so finden wir in dieser Beschreibung das „perfekte“ Ranchpferd für diese Disziplinen.
Ranch Riding und Ranch Trail als Sportdisziplin
Vor einigen Jahren startete die Disziplin Ranch Riding aus dem Nichts und erlebte seitdem den wohl größten Boom einer Reitdisziplin in Deutschland. Unglaubliche Starterzahlen auf den Turnieren zeigten das Interesse und die Freude der Reiter, an mehr Natürlichkeit und Bodenständigkeit und holten auch diejenigen unter den Reitern ab, die in den anderen Disziplinen für sich keinen Platz mehr sahen. Sei es, dass ihnen der „Spezialist“ fehlte oder einfach, weil ihnen die Vielfältigkeit und Natürlichkeit der Disziplin angesprochen hat.
Regeln wurden festgelegt und Standards entwickelt. In den Symposien der EWU werden in Zusammenarbeit mit Reitern, Trainern und Richtern laufend neue Fragestellungen und Lösungsmöglichkeiten entwickelt.
Der Ranch Trail fand seinen Platz als Sonderprüfung auf den EWU Turnieren und Breitensportwettbewerben. Sonderprüfungen sind Prüfungen, die keine offiziellen Turnierdisziplinen sind und in denen keine Punkte für den Leistungsklassenerhalt gesammelt werden können. Sie können vom Veranstalter zusätzlich zu den Turnierdisziplinen ausgeschrieben werden.
„Es ist wichtig, gerade in diesen „jungen“ Disziplinen wie Ranch Riding und Ranch Trail darzustellen, worauf es ankommt. Nicht nur was der Richter sehen will, sondern auch in welcher Haltung ein gut gerittenes Ranch Pferd laufen soll, wie man mit den Hindernissen klarkommt und wie man sein Pferd trainiert“, erklärt uns George Maschalani bei unserem Besuch in Erbach.
Kaum jemand in Deutschland ist ein kompetenterer Ansprechpartner für dieses Gespräch als der Gewinner der Senior Ranch Riding 2015 und Gewinner der Junior Ranch Riding auf der German Open 2016. Noch dazu mit den Richterkarten der NRHA USA, AQHA, APHA, NSBA, FEI und der EWU ausgestattet, erwarten wir an diesem Tag viel Input und Wissen über die Disziplin Ranch Trail.
Abenteuer Ranch Trail
Der Ranch Trail liegt bereits aufgebaut, sicher vor den Regenschauern geschützt, im hinteren Teil der Reitarena, als wir am frühen Morgen bei George Maschalani auf der Freestyle Ranch eintreffen. Wilde Baumstämme, moosbesetzte Äste, Lassos und jede Menge Hunde – wer die Phantasie spielen lässt, sieht in diesem Trailparcours nicht nur die Hindernisse des Ranch Trails, sondern vor allem die Vorbilder auf der Ranch. Wie durchdacht dieser Parcours ist, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. „Die Hindernisse greifen ineinander, sie ergänzen sich, werden Teil des nächsten Hindernisses und lassen jede Menge Variationen zu. Heraus gekommen ist ein spannender, abwechslungsreicher Parcours, der optisch attraktiv ist, Wege verkürzt, durch Umlegen in der Schwierigkeit gesteigert oder vereinfacht werden kann. Und das Beste: die Zutaten sind in jedem Stall vorhanden oder leicht zu organisieren!“ beschreibt George seinen Ranch Trail Parcours.
Wichtige Informationsquelle: Regelwerk
Um die Disziplin zu verstehen und die Hindernisse kennenzulernen, empfiehlt George erst einmal das Regelwerk genau zu studieren. Alle Hindernisse sind dort aufgeführt. Ein Ranch Trail Parcours enthält mindestens 6 Hindernisse. Das Regelbuch gibt 5 verschiedene Pflichthindernisse vor, dazu können Richter oder Veranstalter aus den Wahlhindernissen wählen.
Pflichthindernisse
1. Öffnen, Durchreiten und Schließen eines Tores
2. Überreiten von mind. 5 Stangen innerhalb eines Hindernisses
Walk over: Abstand 70–80 cm, Erhöhung max. 25 cm
Trot over: Abstand 100-120 cm, Erhöhung max. 25 cm
Lope over: Abstand 200–220 cm, Erhöhung max. 25 cm
3. Die Anordnung der Stangen ist freigestellt
4. Überqueren einer Holzbrücke
5. Seitengänge (Sidepass) über ein Hindernis oder zwischen Hindernisteilen
Abstand in einer Gasse mind. 200 cm (ganzes Pferd), mind. 60 cm (1 Beinpaar zwischen zwei Stangen); Erhöhung max. 30 cm
6. Back up durch Gassen unterschiedlicher Formen; das Hindernis kann aus Stangen oder Pylonen (mind. 3) bestehen.
Abstand 100 cm, Erhöhung max. 30 cm
Wahlhindernisse
1. Slalom im Schritt oder Trab
2. Stangenquadrat (Box) mit oder ohne Turn oder Anhalten innerhalb der Stangen
3. Sprung
4. Lebende oder „Attrappen“ von Tieren, die in der Rancharbeit vorkommen
5. Durchreiten von natürlichen Gräben
6. Bereiten von natürlichen Anhöhen
7. Dummy – Roping
8. Absteigen und/oder Aufsitzen
9. Durch- oder Überqueren von einem Wasserhindernis oder einer Plane
10. Öffnen eines Tores zu Fuß
11. Hufe anheben
12. Ground tie
13. Rope drag: Schleppen eines Gegenstandes mit dem Rope (Nur für LK 1-3)
14. Transportieren eines Gegenstandes, der von seiner Beschaffenheit her mit einer Hand gehalten oder an einem Seil gezogen werden kann
15. An- und Ausziehen eines Mantels oder Umhangs
16. Leeren und Füllen eines Briefkastens
17. Hindernisse, die bei einem Geländeritt oder bei der typischen Rancharbeit vorkommen können, dem Regelbuch entsprechen und vom Richter zugelassen sind
Ranch Trail Training: Zügel, Tempo, Haltung
Der 2010 geborene Paint Horse Hengst Jewels Little Spook, mit dem George den deutschen Meister Titel in der junior Ranch Riding holte, ist bereits gesattelt. Während des Warmreitens gibt George bereits erste Tipps für die Ranch Disziplinen:
„Die Ranch Riding soll den Arbeitswillen und die Vorwärtsbewegung im Arbeitstempo auf einer Ranch widerspiegeln.“ Dazu gehört, führt er aus, dass die Pferde mit einer natürlichen Kopfhaltung geritten werden.
Wie die genau aussieht, hängt natürlich auch von der jeweiligen Konstitution der Pferde ab. „Ein verkriechen hinter den Zügel und ein künstliches „in den Boden laufen“ korrigieren wir, wenn wir die Ranch Disziplinen trainieren, sofort.“
Das Arbeitstempo auf der Ranch ist zügig und effizient. Darunter versteht man, dass die Bewegungen fließend, also nicht nachlässig oder gar schlampig oder trödelnd ausgeführt werden.
Die Zügellänge soll angemessen sein. Ein zu stark anstehender, als auch ein weggeworfener Zügel ist nicht erwünscht. Nur dadurch ist das Ideal vom willigen, durchlässigen und nachgiebigen Pferd, das alle Hindernisse ohne Widerstand zuverlässig überwindet, zu erreichen.
Dies bedingt, dass die Ranchpferde genauso trainiert werden müssen, wie für andere Disziplinen. Die Selbsthaltung des Pferdes entwickelt sich aus einer Vorwärtsbewegung, niemals durch Zug und halten durch den Zügel.
Nicht Korrekt: Ein zu flaches Pferd ohne Aufrichtung mit zu tiefem Kopf und zu langen Zügeln
Korrekt: Entspannte Selbsthaltung mit guter Zügellänge
Nicht korrekt: Der Kopf ist zu tief eingestellt, die Nase ist hinter der Senkrechten
Korrekt: die perfekte Kopfhaltung
Serie 2: Die Hindernisse des Ranch Trail
Fotos: © Figure 8