Verhaltensstörungen bei Pferden – eine Haltungsfrage?

Das Pferd koppt, webt oder rennt am Zaun auf und ab – all dies wird als Verhaltsauffälligkeit beim Pferd bezeichnet. Oft entstehen diese Verhaltensauffälligkeiten wie Weben, Koppen oder andere erst in Gefangenschaft des Pferdes bei nicht artgerechter Haltung. 

Daher ist die Haltung das A und O beim Pferd.

Das arttypische Verhalten des Pferdes hat sich im Rahmen der Evolution im Laufe vieler Millionen Jahre entwickelt und ist bis heute weitgehend unverändert geblieben. Pferde haben ein Grundbedürfnis nach Licht, Luft und freier Bewegung. In der Natur laufen die Pferde im Sozialverband  15 Stunden am Tag und bewegen sich fressend vorwärts. In der restlichen Zeit schlafen oder dösen sie und pflegen die Sozialkontakte zu ihren Artgenossen. Genetisch sind diese ursprünglichen Verhaltensweise beim Pferd immer noch unverändert vorhanden, auch bei unserem heutigen Hauspferd.

In der Pferdehaltung der heutigen Zeit  leben die Pferde jedoch auf beengtem Raum, die Möglichkeit der freien Bewegung wird auf ein Minimum heruntergefahren.
Das kontrollierte Bewegen. z.B. an der Longe, in der Führmaschine oder unter dem Sattel deckt das Laufbedürfnis der Pferde bei weitem nicht ab. Das Tierschutzrecht spezifiziert den optimalen Bewegungsbedarf nicht genau, sagt aber deutlich aus: „ Bewegung – Unter naturnahen Bedingungen bewegen sich Pferde im Sozialverband zur Futteraufnahme bis zu 16 Stunden am Tag. Unter Haltungsbedingungen ist daher täglich für angemessene Bewegung zu sorgen.“  (Bundesministerium für Erährung und Landwirtschaft)

 

Verhaltensstörungen sind oft Frustbewältigung

Pferde können sich gut an die Umwelt anpassen. Wird die Grenze der Anpassungsfähigkeit überschritten, entwickeln sich häufig Verhaltensstörungen. Besonders sensible Pferde gelangen hier schneller an Ihre Grenzen.

Was man als eine Verhaltensstörung bezeichnet, ist für Pferde oft nur ein Ventil um Frust abzubauen. Verletzte Pferde, die zur Heilung absolute Boxenruhe benötigen, sind oft überfordert mit der Anpassungsfähigkeit. Von dem eigentlichen Bedürfnis der Bewegung lenkt das Pferd sich ab, indem es zum Beispiel von einem Fuß auf den anderen tritt. Mit der Zeit ist diese Ablenkung so eingeprägt, dass eine Verhaltensstörung entstanden ist – das Pferd webt.

Verhaltensauffällig aber nicht krank

Die meisten Verhaltensstörungen bedeuten eine Wertminderung der Pferde. Doch es hat sich gezeigt, dass Pferde mit Verhaltensstörungen oftmals sehr leistungsbereite, intelligente Pferde sind.
In Pensionsställen sind verhaltensauffällige Pferde nicht gerne gesehen, da sich der Irrglaube, dass Pferde durch Abschauen Verhaltensstörungen entwickeln, immer noch hartnäckig hält.

Verhaltensstörungen im Überblick

Pferde mit Verhaltensstörungen wiederholen ein immer gleiches Verhaltensmuster, oft auch stundenlang.

  • Holzfressen
  • Koppen
  • Weben
  • Gitterwetzen
  • Headshaking
  • dauerhaftes Hin- und Herlaufen in der Box oder im Paddock
  • extreme Aggresivität
  • Selbsttraumatisierung

Jedes Abweichen vom artspezifischen Verhalten des Pferdes wird als Verhaltensstörung bezeichnet. Ist die Störung weniger ausgeprägt oder nur ab und zu vorkommend bezeichnet man sie als Verhaltensauffälligkeit.

Die drei Stadien der Stereotypen*

Oft fällt die Anfangsphase bei der Entwicklung einer Verhaltensstörung kaum auf. Meistens ist die Stereotypie schon etabliert, wenn der Mensch sie bemerkt. Es kann ebenfalls vorkommen, dass das Pferd bei einem neuen Besitzer und optimaler Haltung in Stresssituation wieder die Verhaltensstörung zeigt da sie zu einer Art Selbstbelohnung des Pferdes geworden ist und es sich dadurch von unangenehmen Situationen ablenken kann.

  1. Das Verhalten wird regelmäßig, aber nur kurz und nur ab und an gezeigt. Das Pferd hört selbständig wieder damit auf. Meist bedarf es äußerer Einflüsse (Stress), damit das Verhalten gezeigt wird.
  2. Das Verhalten wird häufiger und länger gezeigt, auch außerhalb von Stresssituationen. Das Pferd hört selten von alleine damit auf, lässt sich aber vom Menschen stoppen. Der Schlaf-Wach-Rhythmus beginnt sich zu verändern, die Ruhezeiten der Pferde werden kürzer.
  3. Das Verhalten wird regelmäßig und nur noch mit kurzen Unterbrechungen gezeigt. Die Futteraufnahme ist deutlich reduziert und der Schlaf-Wach-Rhythmus ist verändert. Das Pferd hört nicht mehr von alleine mit der Verhaltensstörung auf und auch starke äußere Einflüsse, wie der Mensch der versucht das Verhalten zu unterbrechen, können es kaum abhalten.

Fazit

Ein artgerechter Umgang sowie eine artgerechte Haltung des Pferdes von Anfang an, kann helfen Verhaltensstörungen zu vermeiden. Viel Auslauf, auch im Winter, Beschäftigung mit dem Pferd sowie genügend Raufutter sind empfehlenswert.

  • Freier Auslauf
  • Sozialkontakte
  • Beschäftigung
  • Fressmöglichkeiten

 

*Universität Zürich, Dr. A Fürst, Verhaltensstörungen und Stereotypen des Pferdes
**Focus, 2016, Sterotypen, Verhaltensstörungen bei Pferden

Foto: Shutterstock

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