Die ersten 90 Tage – die Trainer sind maßgeblich daran beteiligt, den jungen Pferden einen guten Start in ihr Leben als Reitpferd zu geben. Diese Aufgabe ist mit hoher Verantwortung verbunden und manchmal unterscheiden sich auch die Ansprüche und das Machbare. Wir wollen den Mythos Anreiten lüften und möchten die Gedanken unserer Trainer zu den ersten 90 Tagen erfahren.
Heute haben wir Alexandra Schürmann, EWU Trainer A Westernreiten, zu diesem Thema interviewt:
90 Tage oder mehr? Reichen 3 Monate?
Das Pferd gewöhnt sich an das Reitergewicht und die Ausrüstung. Es entwickelt eine positive Grundeinstellung zur „Arbeit“ mit dem Menschen und lernt fremde Dinge und Situationen kennen und akzeptieren. Wir lehren es das Lernen und legen den Grundstein für das weitere Pferdeleben.
Wie startet ihr in die Grundausbildung mit den jungen Pferden?
Bodenarbeit, Arbeit im Roundpen, Longieren, Fahren vom Boden, Mitnehmen als Handpferd, erstes Reiten und langsam aufbauen. Durch ruhige und beständige Arbeit bleibt die Entspanntheit beim Pferd erhalten und wir beginnen ein solides Fundament aufzubauen. Je nach Entwicklungsstand des Pferdes werden sie mit ca. 3 Jahren angeritten und nach ca. 3 Monaten Basisausbildung noch einmal auf die Weide gestellt für einige Wochen oder kontinuierlich leicht weiter gearbeitet.
Was gehört für euch zur Grundausbildung dazu?
Bodenarbeit, Gewöhnung an Sattel, Gebiss, Reitergewicht, Reiten in den drei Grundgangarten mit der Beachtung von Takt, Losgelassenheit und Nachgiebigkeit, Reiten in der Halle, auf dem Platz und im Gelände, Verladetraining, Anreiten, Anhalten, Rückwärtsrichten, Vorhandwendung, Hinterhandwendung (erste Schritte), Lenken über den direkten Zügel, Stehenbleiben beim Aufsteigen.
Was kann man in 3 Monaten Grundausbildung erwarten und was muss das Pferd mindestens können?
Das genaue Ergebnis ist abhängig von der Psyche, der körperlichen Erscheinung und den eventuellen Vorerfahrungen des einzelnen Pferdes.
Wie oft und wie lange arbeitet ihr junge Pferde in der Woche?
Das ist abhängig vom jeweiligen Pferd und dem Stand der Ausbildung. Wir arbeiten sie meist 5 mal pro Woche ca. 25 – 40 Minuten mit entsprechenden Pausen. Wenn das Pferd nach 10 oder 15 Minuten etwas sehr gut gemacht hat und wir einen Lernfortschritt haben, beenden wir die Trainingseinheit. Positive Verstärkung und keine Überforderung.
Reitet ihr nur selbst oder ist es wichtig, dass junge Pferde auch andere Reiter kennen lernen?
Die Pferde werden zuerst nur von einem Menschen gearbeitet. Mit fortschreitender Ausbildung werden sie auch an andere Reiter gewöhnt. Wichtig ist in einem, für das Pferd schlüssigen, System zu bleiben.
Wie wichtig ist Ausreiten innerhalb der Grundausbildung für euch und wann geht ihr frühestens mit den jungen Pferden ins Gelände?
Wir nehmen die jungen Pferde so früh als möglich mit ins Gelände. Zuerst als Handpferd mit Reiter. Wenn sie selbstsicherer werden, reiten wir und werden von einem erfahrenen Pferd und Reiter begleitet. Reiten in der Gruppe lernen die Pferde ebenfalls.
Wie wichtig ist es, dass der Besitzer bereits bei der Grundausbildung seine Ziele mit dem Pferd definiert?
Die Basisausbildung ist für jedes Pferd gleich. Die Stärken und Schwächen des einzelnen Pferdes zeigen sich und jedes Pferd kann nach seinem Talent weiter gefördert werden. Wenn der Besitzer frühzeitig das Ziel umreißt, kann besprochen werden, ob das junge Pferd dazu wahrscheinlich geeignet sein wird oder es eher schwierig wird, dieses Ziel zu erreichen. Dem Pferd gegenüber sollte man immer fair bleiben. Der Besitzer wird über den jeweiligen Ausbildungstand des Pferdes informiert und kann jederzeit beim Training dabei sein. Bevor das Pferd nach Hause geht, ist es wünschenswert, dass der Besitzer unter Aufsicht und Anleitung des Trainers mit seinem Pferd arbeitet.
Soll der Besitzer das Pferd vorher bereits arbeiten oder das Jungpferd lieber roh bringen?
Ein gut erzogenes Jungpferd ist natürlich von Vorteil. Wenn schon Gelassenheitstraining oder Gewöhnung an den Longiergurt oder Sattel stattgefunden hat, ist das sehr gut, wenn es ruhig und fundiert stattgefunden hat. Alle Fehler und Probleme, die jetzt eingebaut werden, vergisst das Pferd nicht mehr und aus einem Jungpferd wird schnell ein Korrekturpferd. Daher besser nichts vorher arbeiten, wenn sich jemand nicht ganz sicher ist, und die Arbeit den Profis überlassen.
Kann der Besitzer sein Jungpferd nach 90 Tagen problemlos mit nach Hause nehmen und selbst reiten?
Das kann nicht pauschal beantwortet werden. Es kommt darauf an, wie gut der Reiter reitet, wie gefühlvoll er mit dem jungen Pferd umgehen und auf den jeweiligen Charakter eingehen kann. Hier wird der Grundstein für das weitere, hoffentlich lange, Pferdeleben gelegt. Daher sollte der Pferdebesitzer die Dauer der Ausbildung bei einem professionellen Trainer und das, was er selbst leisten kann, gut durchdenken. Eine gute Möglichkeit kann auch sein, sich durch den Trainer begleiten zu lassen und den weiterführenden Beritt und Unterricht nach individuellem Bedarf anzupassen.
Reitet ihr Pferde auch in weniger als 3 Monaten ein, wenn die Besitzer das wollen?
Nein. 3 Monate sind das Minimum.
Vielen Dank Alexandra!