Die Hinterhand

Eine aktive Hinterhand und ein aufgewölbter Rücken sind ideal um das Reitergewicht schonend zu tragen und dienen der Gesunderhaltung unser Reitpferde. Man sieht jedoch oft, dass viele unser Pferde „auf der Vorhand laufen“ – ob in der Freizeit oder im Sport. Dabei haben gerade die Westernpferderassen durch ihre ausgeprägte Hinterhand die besten Voraussetzungen.
Aber wie trainiert und aktiviert man die Hinterhand gezielt?

Die Anatomie der Hinterhand

Betrachtet man das Skelett des Pferdes, stellt man fest, dass die gesamte Wirbelsäule des Pferdes einer Hängebrücke gleicht. Die Hinterhand ist über das Kreuzdarmbeingelenk mit der Wirbelsäule verbunden und ermöglicht somit die Kraftentwicklung.

Aufgrund der knöchernen Verbindung zur Wirbelsäule sitzt der Motor des Pferdes an der Hinterhand. Die Hinterhand-Muskulatur des Pferdes besteht hauptsächlich aus fleischiger Muskulatur mit wenig sehniger Durchsetzung. Die Vorhand ist sehr viel mobiler als die Hinterhand und ist somit der steuernde Teil.

Winkelung und Länge der Knochen bestimmen über das Ausmaß an Beweglichkeit, Vorwärtsschub und Raumgriff. Je ausgeprägter die Winkelung, desto mehr Beugung und Schub ist möglich. Hier muss man natürlich rassetypisch unterscheiden: Ein kleines Quarter Horse kann nicht so weit untertreten wie ein großes Warmblut.

Aufgrund der Wirbelsäulenkonstruktion ist es enorm wichtig, die Last auf die Hinterhand zu verlagern und somit den Rücken für das Reitergewicht zu stärken. Ungerittene Pferde sind von Natur aus vorhandlastig. Die Vorhand trägt ca. 55 %, die Hinterhand 45 %. Eine Vorhandlastigkeit ist allerdings nicht geeignet, um dauerhaft und gesunderhaltend einen Reiter zu tragen.

Die Muskeln in der Hinterhand werden in 3 Gruppen unterteilt.

Hüft- und Beckenmuskulatur: Sie ermöglichen die Bewegung des Oberschenkels und das Beugen und Strecken der Hüfte und sind das entscheidende Element für Schwung. Der Musculus gluteus medius verläuft vom Lendenwirbel entlang der Kruppe bis zum Oberschenkel. Der Musculus iliopsoas verläuft auf direktem Wege von Lendenwirbel zu Oberschenkel.

Oberschenkelmuskulatur: Die kaudalen und kranialen Oberschenkelmuskeln und die Gesäßmuskeln. Die kranialen Muskeln liegen vor dem Oberschenkelknochen und ermöglichen das Beugen des Sprunggelenks und der Hüfte. Die kaudalen Muskeln liegen hinter dem Oberschenkel und sind für Beugen der Hüfte und Strecken des Sprunggelenks zuständig.

Muskulatur der Beine: Die Beinmuskulatur beginnt am Schienbein und endet als Sehne, die das Sprunggelenk am Röhrbein fixiert. Diese Muskulatur ist für Beugen und Strecken des Sprunggelenk und des Fesselkopfes verantwortlich.

Aktiv in der Hinterhand – was bedeutet das?

Viele Reiter möchten ihr Pferd gerne in der Hinterhand aktiv, doch die wenigsten wissen was genau das eigentlich bedeutet.

Das Pferd muss unter seinen Schwerpunkt treten. Bedeutet im Idealfall, der Hinterhuf fußt in die Spur des Vorderhuf. Aber wie schon erwähnt, kommt es auch auf die Winkelung und Länge der Knochen an.

Daher muss das Pferd auch im Ganzen betrachtet werden. Macht es sich rund, läuft fleißig vorwärts und kommt mit den Hinterbeinen gut unter den Körper, ist das bereits ein gutes Zeichen. Die Kruppe senkt sich und der lange Rückenmuskel kommt in Bewegung.

Stockende oder kurze Bewegungen der Hinterhand und ein verspannt anzuschauendes Pferd sind Zeichen für zu wenig Aktivität in der Hinterhand. Pferde, die an Spat oder Arthrose leiden, müssen gesondert betrachtet werden, da sie durch diese Diagnosen bewegungseingeschränkt sind. Ist man unsicher, ob der Bewegungsablauf funktional ist, kann man seinen Tierarzt oder Osteopath bitten das Pferd in Bewegung anzuschauen.

Schub und Tragkraft

Zuerst kommt die Schubkraft – dann die Tragkraft. Beides ist von Natur aus bei unseren Pferden bereits vorhanden. Unter dem Reiter muss das Pferd lernen Schubkraft zu entwickeln um losgelassen laufen zu können und vor allem, damit sich die Tragkraft entwickeln kann.

 

Oft gehen Pferde fleißig vorwärts, werden aber mit der Hand des Reiters so blockiert, dass sie keine Last mit den Hinterbeinen aufnehmen. Losgelassen und schwungvoll kann ein Pferd nur mit entsprechender Tragkraft der Hinterhand laufen, die Hand darf den Bewegungsablauf nicht blockieren. Oft ist es hilfreich, sich bei diesem komplexen Thema Hilfe von einem Trainer zu holen.

Zusammenspiel von Hinterhand und Rücken

Läuft das Pferd mit aktiver Hinterhand und tritt unter seinen Schwerpunkt, aktiviert es somit auch die Muskulatur der Kruppe, die mit Zug auf den langen Rückenmuskel dafür sorgen, dass sich der Rücken aufwölben kann.

Nur so kann das Pferd den Reiter auf Dauer gesundheitserhaltend tragen. Eine aktive Hinterhand beugt einem Senkrücken vor und ist gerade für Pferde mit anfänglichem Kissing Spines das A und O.

Es gibt verschiedene Rückenformen. Pferde die zum Beispiel einen Karpfenrücken haben, werden es schwer haben im Rücken zu schwingen und vermehrt unterzutreten – auch die Rückenform muss also hier bedacht werden.

Wie kann man eine aktive Hinterhand trainieren?

Übergänge

Jeder Übergang, sprich Tempowechsel bedeutet Arbeit für die Muskulatur. Viele Übergänge vom Schritt in den Trab und umgekehrt – später auch vom Galopp in den Schritt oder Halt und zurück, sind sehr effektiv und wirken in etwa so wie Kniebeugen bei uns Menschen.

Rückwärts und anreiten

Beim Rückwärtsreiten senkt sich das Becken und die Bauch- und Lendenmuskulatur wird angespannt. Das anreiten aus dem Rückwärts in denn Trab sorgt für ein perfektes Training der Hinterhand.

Bergauf, Bergab

Auch bei einem Ausritt kann man trainieren. Und zwar in dem man sich Strecken mit viel bergauf und bergab aussucht. Die Gangart in der dieses Training am meisten fruchtet, ist tatsächlich der Schritt. Im Schritt einen Berg zu erklimmen, ist für die Pferde anstrengender als im Trab oder Galopp.

Stangenarbeit & Körperband

Auch an der Longe lässt sich mit Stangen wunderbar ein guter Trainingseffekt erarbeiten. Dafür sollte das Pferd aber mindestens über 4-5 Stangen nacheinander laufen. Mit einem zusätzlichen Körperband um die Hinterhand, wird diese noch mehr aktiviert.

Stangenabstände unbedingt beachten, um Verletzungen zu vermeiden. (Schritt ca. 80 cm, Trab ca. 120 cm)

Seitengänge

Jegliche Art von Seitengängen gymnastizieren und stärken die Hinterhand. Bei Fortgeschrittenen gerne auch in den höheren Gangarten. Das Schulterherein in Innen- und Außenstellung lässt das Pferd ebenfalls mehr Last in der Hinterhand aufnehmen.

Fotos: shutterstock, Figure8

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